Artikel aus der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 24.06.2009

 

LUDWIGSBURG

Heute fast alle städtischen Kitas betroffen

Der Streik der Erzieherinnen erreicht Ludwigsburg, ein großer Teil der städtischen Kindergärten ist heute betroffen. Nach der Kritik seitens der Eltern räumt nun die Verwaltung ein, künftig besser informieren zu wollen.

Nach nunmehr zehn Streiktagen seit Mitte Mai ist die Stadt jetzt bereit, die Eltern besser zu informieren. Die Verwaltung sah sich bislang nicht in der Lage, verlässliche Hinweise zu geben, welcher Kindergarten vom Arbeitskampf betroffen ist, so gestern die Erklärung von Bürgermeister Konrad Seigfried.
Heute werden von 19 Einrichtungen neun komplett geschlossen, fünf weitere werden be-streikt. Bereits am Montag und am Dienstag waren jeweils vier Kindergärten geschlossen.
Die Eltern hatten dem Arbeitgeber, der Stadt Ludwigsburg, angekreidet, sie im Stich zu lassen. Auch blieb berufstätigen Müttern oft unklar, ob es für die Betreuung eine Notgruppe gibt. Diese gab es teilweise, aber nicht in Form eines Notdienstes „im tariflichen Sinne“, so Seigfried.
Verdi hatte derartige Formen als nicht rechtens gebrandmarkt, die Stadt Ludwigsburg will nun aber mit der Gewerkschaft in Verhandlungen eintreten und eine Notdienstvereinbarung abschließen, wie sie eigentlich vorgeschrieben ist. Zieht sich der Streik in die Länge, hat die Stadt somit Handlungsspielraum.

Die Gelder, die die Stadt als Arbeitgeber bei den Erzieherinnen während des Arbeitskampfes nicht benötigt, will sie nicht als allgemeine Einsparung sehen. Sie sollen der Sprachförderung in den Kitas zugute kommen. Bislang geht man von einem Betrag von 35 000 Euro aus, der nicht für Gehälter gebraucht wurde.
Dagegen will die Stadt die Elternbeiträge nicht rückerstatten, begründet dies aber nicht. Die Essensgelder, wie die Eltern gefordert hatten, will sie jedoch zurückzahlen. Der Betrag von bislang 780 Euro soll zugunsten der Eltern in den nächsten Monaten verrechnet werden.
Bürgermeister Seigfried hofft auf eine baldige Einigung der Tarifparteien, die Stadt selbst sei daran interessiert. Der Ausbau der Kinderbetreuung habe „höchste Priorität“.
Im ganzen Land haben sich die Arbeitskämpfe fortgesetzt, rund 3000 Erzieherinnen waren im Ausstand. Nach Mannheim und Stuttgart hat Verdi heute in Ludwigsburg zur Demo aufgerufen. Der Marsch geht um 11 Uhr los vom Landratsamt zum Rathaushof, wo gegen 12 Uhr eine große Kundgebung sein wird.

Hans-Peter Jans

 

 

  Artikel aus der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 23.06.2009

 

LUDWIGSBURG

Eltern klagen: Stadt lässt uns im Stich

Seit gestern wird wieder in Kindergärten gestreikt, am Mittwoch ruft Verdi um 12.15 Uhr zu einer großen Kundgebung in Ludwigsburg auf. Unter den Eltern regt sich zunehmend Unmut – nicht wegen der streikenden Erzieherinnen. Die Eltern fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen.

Der Streik macht den Eltern zunehmend zu schaffen, vor allem, weil sie nicht wissen, ob ihr Kindergarten betroffen ist und ob es eine Notgruppe gibt. „Schon seit Wochen gibt es keine Informationen von der Stadt“, monieren die Eltern der Kindertageseinrichtung Villa Kinderbunt aus der Weststadt. Gestern haben sich die Mütter gegenseitig ausgeholfen und die Kinder untereinander zur Betreuung aufgeteilt.
Heute gibt es eine Notgruppe, morgen vielleicht auch eine. „Es ist ein ständiges Hin und Her“, heißt es. Die Mütter erfahren nur über Umwege davon, ob ihr Kindergarten betroffen ist oder nicht. Die Stadtverwaltung verweist auf Verdi, die zum Streik aufruft, doch das sehen die Eltern anders: Sie zahlen ihre Beiträge an die Stadt und diese ist Betreiber der Einrichtung. „Wir haben einen Vertrag mit der Stadt, nicht mit Verdi“, erklären sie.
Für die berufstätigen Mütter ist es ein Stress. Eine Mutter wollte ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen, der Arbeitgeber war nachsichtig: Er schickte sie nach Hause. Kurzfristig durfte auch eine andere zu Hause bleiben, muss aber nacharbeiten. Wie lange geht das noch gut? fragen die Betroffenen.

Verunsichert sind die Eltern auch wegen der „wilden Notgruppen“, die die Stadt zeitweise mit Streikbrechern anbietet. „Was die Verwaltung hier macht, ist nicht rechtens“, erklärt dazu die für den Kreis zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretärin Sylvia Nosko. Sie wundert sich darüber hinaus, dass die Stadt Ludwigsburg als Arbeitgeber bislang keinen Kontakt mit Verdi aufgenommen hat – um beispielsweise wie in anderen Städten die Notbetreuung zu legalisieren.
Dringend nötig wäre eine solche. Zehn Streiktage sind es seit Mitte Mai, das heißt: In zwei von vier Wochen waren eine Reihe von städtischen Kindergärten dicht. Auch sonst haben die Eltern Fragen: Was macht die Stadt mit dem Geld, das sie jetzt einspart? Erhalten doch die Erzieherinnen an Streiktagen kein Gehalt gezahlt. Wie wird, fragen die Eltern von Ganztageseinrichtungen, das Essensgeld verwendet?
Diese Fragen haben die Eltern in einem offenen Brief an die Verwaltungsspitzen formuliert. Von der LKZ darauf angesprochen, hieß es gestern im Rathaus, der Brief sei nicht angekommen. Auch gegenüber der Presse schwieg sich die Verwaltung zu den Vorwürfen aus und kündigte erst für heute eine Stellungnahme an. Dies, obwohl drei Tage Streik und eine Großkundgebung angesagt sind. Weder Stadt noch Verdi konnten mitteilen, welche Kindergärten heute und morgen in Ludwigsburg vom Streik betroffen sind.
Gestreikt wird auch in Kornwestheim, wie die dortige Stadtverwaltung vorab mitteilt. Ebenso wird den Eltern dargelegt, wo Notgruppen eingerichtet werden. Gestreikt wird auch in allen Kindergärten in Tamm, seit gestern gibt es zwei Notgruppen. In Markgröningen ist ein Kindergarten betroffen.

Hans-Peter Jans